Unser Mann in Berlin

In Auszeichnung, Kunst, Wettbewerb by Christoph Barth

George Hajeir berichtet von seiner Reise in die Bundeshauptstadt.


Mit mehreren Landes- und Bundespreisen beim Europäischen Wettbewerb war unsere Schule auch in diesem Jahr wieder sehr erfolgreich. Der größte und älteste Schülerwettbewerb Europas fand 2023 zum 70. Mal statt. Eine besondere Auszeichnung erhielt George Hajeir, Schüler der MSS 12. Als Sieger auf Bundesebene wurde er ins Bundeskanzleramt eingeladen und durfte drei Tage lang Berlin erkunden. Hier sein Reisebericht:


DS-Workshop

"Als Herr Barth mir mitteilte, dass ich im Europäischen Wettbewerb auf Bundesebene für mein Essay über die Freiheit der Kunst gewonnen hätte, freute ich mich sehr. Der Preis war eine Reise nach Berlin, um das Bundeskanzleramt zu besuchen.

Ich füllte meine Reisetaschen sorgfältig und begab mich mit Entschlossenheit auf meine nächtliche Reise in die Hauptstadt des Bundes. Dort wurden wir am Montagmorgen von Frau Simone Bössenrodt und dem sachkundigen Reiseführer Herr Peter Wawrzyniak herzlich empfangen. Zu Beginn begaben wir uns zu Fuß zum Reichstag, während der Herr uns ausführlich über die Geschichte der Berliner Mauer und den Zustand der Stadt vor der Wiedervereinigung berichtete. Anschließend betrachteten wir die markierte Linie auf dem Boden, die uns den einstigen Verlauf der Mauer verdeutlichte.

Unter der Kuppel des Parlaments wurden wir von einem angesehenen Parlamentsmitglied empfangen, das uns ausführlich über die Grundprinzipien der Demokratie sowie die Bedeutung und Funktion der Fraktionen, insbesondere der fünf Verfassungsorgane, informierte. Des weiteren wurden uns detailliert die Grundlagen des Wahlverfahrens und die geordnete Sitzordnung der Mitglieder im Parlament erläutert. Als krönender Abschluss unseres Besuchs im Parlament bestiegen wir die erhabene Kuppel, von der aus wir den atemberaubenden Panoramablick auf das bezaubernde Berlin genossen, der gleichermaßen das Auge und das Herz verzauberten.

Anschließend begaben wir uns auf eine ausgedehnte Erkundungstour durch Berlin, wobei wir die ehrwürdigen Steine betrachteten, deren Falten die verborgenen Geschichten der Vergangenheit in sich trugen. In diesem Zusammenhang erzählte uns Herr Wawrzyniak eine ergreifende Anekdote, die sich im Jahr 1988 ereignete. Drei Personen wagten den Versuch, aus dem östlichen Teil Berlins in den Westen zu fliehen, wobei sich unter ihnen auch eine schwangere Frau befand. Während es den beiden jungen Männern gelang, die westliche Seite zu erreichen, verblieb die schwangere Frau im Wasser, bis einer ihr seine Hand reichte. Durch diese heldenhafte Geste wurde sie offiziell als Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, und die Grenzschützer der DDR waren dazu gezwungen, von ihrem Schussrecht Abstand zu nehmen.

Danach haben wir unsere Arbeiten im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vorgestellt. Die Werke waren äußerst vielfältig, denn einige Teilnehmer hatten sich der Bildenden Kunst, andere dem Handwerk gewidmet, wieder andere hatte gar eigene Lieder oder sogar Gedichte verfasst.

Im Anschluss unternahmen wir eine ausgedehnte Busfahrt durch die Straßen Berlins, um die vielfältigen Facetten dieser pulsierenden Metropole kennenzulernen, bevor wir schließlich zum Hotel zurückkehrten. So endete das Programm des Montags, und es begann die kostbare Freizeit, die uns die Gelegenheit bot, einander näher kennenzulernen, da wir aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands angereist waren.

Wir begannen den zweiten Tag unseres Aufenthalts in Berlin mit der sorgfältigen Zusammenstellung unserer Kleidung und begaben uns zum Europäischen Haus. Dort hatten wir das Privileg, mit einem ehemaligen Mitglied des Europäischen Parlaments über die Europäische Union, ihre Institutionen, ihre Werte und ihre Politik zu diskutieren. Dabei erhielten wir tiefgehende Einblicke in die Funktionsweise und die Bedeutung der EU sowie ihre verschiedenen Politikbereiche. Anschließend hatten wir ausreichend Zeit, um zum imposanten Brandenburger Tor zu gelangen, das wie ein mächtiger Hammer über den steinernen Relikten der Geschichte aufragt.

Später besuchten wir das eindrucksvolle Bundeskanzleramts-Gebäude, das architektonisch modern und zeitgemäß gestaltet ist und einen deutlichen Kontrast zum gegenüberliegenden Reichstag darstellt. Nachdem wir die Sicherheitskontrollen passiert hatten, begaben wir uns in den Saal, wo wir die Ehre hatten, Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, zu treffen.

Anfangs spürte ich eine gewisse Nervosität, da es mein erstes Treffen mit einer Ministerin war und ich mich zudem direkt vor ihr befand. Doch diese Anspannung wich schnell, als ich die liebenswürdige Persönlichkeit der Ministerin erlebte und wir in eine lebhafte Diskussion über die Freiheit der Kunst und ihre Grenzen eintreten. Sie beantwortete geduldig unsere Fragen, darunter auch meine Frage, die sich mit dem Konzept des Rassismus und der Klassifizierung einer Arbeit als rassistisch befasste.

In meinem Artikel habe ich über die hitzige Debatte rund um Pippi Langstrumpf geschrieben, wobei die Autorin auch das Wort "Negerkönig" erwähnte. Die Ministerin erklärte hierzu, dass es in erster Linie auf die Art und Weise ankommt. Kritik an einer bestimmten Religion wird natürlich nicht als rassistisch eingestuft, während Spott und Geringschätzung als Ausdruck von Rassismus gelten. Zudem spielen das Ziel und die Botschaft, die der Künstler vermitteln möchte, eine entscheidende Rolle. Wir vertieften uns auch in das Thema und diskutierten, ob die Kritik an der israelischen Regierung als antisemitisch zu werten ist oder nicht. Die Ministerin erklärte, dass einige Kritikpunkte einen konstruktiven Beitrag zu diesem Diskurs leisten, jedoch meistens nicht, da selbst das Volk seine Regierung kritisiert. Auch nach Abschluss des Treffens hallt der Klang der Worte der Ministerin „Lassen Sie sich ihr Europa nicht wegnehmen“, in meinem Inneren nach. Es beschäftigt mich weiterhin intensiv, insbesondere angesichts der sich abzeichnenden politischen Entwicklungen auf europäischer und globaler Ebene.

Anschließend begaben wir uns auf eine ausführliche Besichtigungstour durch das Gebäude, begleitet von einem sachkundigen Mitarbeiter, der uns die verschiedenen Räumlichkeiten und Objekte im Inneren erläuterte. Dabei fiel unser Blick zunächst auf eine Wand mit Porträts der Bundeskanzler vor Angela Merkel. Jeder Bundeskanzler hatte die Freiheit, den Maler seiner Wahl auszuwählen und seinen eigenen persönlichen Stil zum Ausdruck zu bringen.

Besonders ins Auge fallend war dabei das Porträt von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der in einer goldenen Form dargestellt war und von einer Gruppe von Affen umgeben war. Des Weiteren begutachteten wir die diplomatischen Geschenke, die den Bundeskanzlern überreicht worden waren.

Nach dem Mittagessen begaben wir uns zu einem Teilstück der Berliner Mauer, die mit kunstvollen Malereien verziert war und dadurch einen Teil ihrer beängstigenden Aura verlor. Der abschließende Tag brach heran, und ach, wäre er doch niemals gekommen. Wir begannen den Tag damit, den „Tränenpalast“ zu besuchen, der einst eine Abfertigungshalle für die Ausreise aus der DDR nach West-Berlin war, bevor er zu einem Museum umgewandelt wurde. Er erhielt den Namen „Tränenpalast“, da die Menschen hier sowohl beim Abschied als auch bei der Rückkehr Tränen vergossen. Unsere Reiseleiterin erzählte uns ausführlich von der Geschichte der Mauer und berichtete von den Fluchtgeschichten jener, die aus Ost-Berlin entkommen waren. Wir betrachteten Bilder und Dokumente und hatten sogar die Gelegenheit, den Originalraum zu besichtigen, in welchem der Beamte saß, dessen Entscheidung über dein Schicksal entscheidend war, ob du gehen durftest oder nicht. Dann kam der ersehnte Moment des Mauerfalls. Selbst das Schicksal beugt sich dem Willen freier Völker.

Anschließend hatten wir etwas freie Zeit und beendeten unsere Reise mit einem gemeinschaftlichen Mittagessen. Ich verabschiedete mich von Berlin und spürte, wie seine Steine mich trösteten.

Die Historie lehrt uns, unsere Ansichten zu äußern und unsere Werte zu verteidigen, wenn sie bedroht sind. Hierbei geht es nicht ausschließlich um das Tragen von Waffen wie in der Ukraine, sondern auch um die Macht des Wortes selbst, denn Kunst ist eine Form des Krieges. Daher empfehle ich jeder Person, die sich für die Zukunft dieses Kontinents und ihre Werte interessiert, eine Teilnahme am kommenden Europawettbewerb zu erwägen.

Trotz all der positiven Facetten dieser Reise bleibt eine bedeutende Schwäche: Sie endete. In drei Tagen und zwei Nächten haben wir das schlagende Herz der Bundesrepublik, Berlin, kennengelernt. Am meisten bedauere ich wohl, dass ich die anderen Teilnehmer (meine Freunde) höchstwahrscheinlich nicht wiedersehen werde. Obwohl ich sie nur für drei Tage kannte, gelang es ihnen, sich wie eine dauerhafte Gravur in meinem Gedächtnis einzuprägen. Nach all dem Vergnügen haben sie meine Lebensbahn gekreuzt und eine Erinnerung hinterlassen, die das Leben niemals auslöschen wird.

Der Abschied von Berlin war von tiefer Trübsal geprägt, denn wer sich in ihre Schönheit verliebt hat, kann sie nicht so leicht hinter sich lassen."


DS-Workshop

Bilder von George auf der Webseite der Bundesregierung: Mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Bundeskanzleramt und bei der Vorstellung seines Wettbewerbsbeitrags im Bundespresseamt.


Mehr über den Europäischen Wettbewerb, die Teilnehmer unserer Schule und ihre Arbeiten finden Sie in unserem Kunstblog. Dort können Sie auch den Beitrag von George Hajeir lesen: „Kunstfreiheit zwischen Utopie und Wirklichkeit“.

 24.06.2023        George Hajeir, MSS 12