Eine besondere Erwähnung muss eine herausragende Arbeit beim diesjährigen Wettbewerb Jugend forscht erfahren.
Es folgt zunächst eine kleine Anekdote zur Entstehungsgeschichte: „Während eines Banketts im Jahr 2005 zur Verabschiedung des Vizepräsidenten der Universität zu Koblenz konnte Herr Berens -als damaliger Physikstudent- einem Gespräch zwischen einem seiner Professoren und weiteren geladenen Gästen verfolgen. Dabei erläuterte der theoretische Physiker Prof. Dr. Stahlhofen seinen Zuhörern am Tisch enthusiastisch, dass er einer Hypothese nachgehe, dass das bekannte Reflexionsgesetz vermutlich nicht so ganz korrekt ist. Einfallswinkel und Reflexionswinkel scheinen nicht exakt gleich zu sein, sondern nur ungefähr. Ein revolutionärer Gedanke, der die Lehrbücher der Physik umschreiben könnte.“ Das dramatische an dieser Geschichte ist, dass Prof. Stahlhofen wenige Jahre später nach schwerer Krankheit mit nur 53 Jahren verstorben ist. Seine Vermutung oder sogar einen möglichen Nachweis wurde nie veröffentlicht. Dies gleicht schon fast der abenteuerlichen Geschichte des „Großen Fermatschem Satzes“.
Experimentiermittel, mit denen man faszinierende Phänomene der Wellenoptik bzw. Photonik untersuchen kann, wurden der St. Matthias-Schule vor einigen Jahren von Prof. Dr. Nimtz von der Universität Köln überlassen. Hierzu zählen beispielsweise die einzigartigen Prismen aus Acrylglas sowie eine Apparatur von Mikrowellensender und -empfänger. Das Besondere an den Versuchen mit Mikrowellenstrahlung ist, dass die Wellenlänge im Zentimeterbereich liegt, also man recht bequem mit einem handelsüblichen Zollstock zahlreiche Effekte untersuchen kann. Das für uns sichtbare Licht hat eine Wellenlänge im Nanometerbereich.
Im Sommer 2023 hat ein Schüler unserer Schule, Miká Berens, sein Interesse an einem Projekt im Rahmen von Jugend forscht bekundet – Thema egal, Fachrichtung Physik. Somit hat alles gepasst: ein hochmotivierter Schüler, vorhandene Experimentiermittel und eine gewagte physikalische Hypothese. So entstehen großartige Projekte, die beim Wettbewerb „Jugend forscht“ angemeldet werden können. Sein Lehrer im Leistungskurs Physik, Herr Schlüter, sowie Physiklehrer Herr Berens betreuen Miká von da an bei seinen Forschungen.
In seiner Freizeit hat Miká im Vorbereitungsraum der Physik experimentiert, sich in Literatur eingelesen und mit seinen Betreuern Ideen weiterentwickelt. Schwerpunkt seiner Untersuchungen bildete der sog. Goos-Hänchen-Effekt, benannt nach seinen Entdeckern Fritz Goos (1883-1968) und Hilda Hänchen (1919-2013). Kurz gesagt wird damit beschrieben, dass bei einer Totalreflexion (übrigens regulärer Unterrichtsstoff der Klasse 7), der Lichtstrahl nicht an einem Punkt an der Grenzfläche unmittelbar reflektiert wird, sondern dass der Strahl vor der Reflexion widererwarten um etwa eine Wellenlänge verschoben ist. Mit Mikrowellenstrahlung konnte Miká dieses Phänomen gut an den großen Prismen nachweisen, da solch eine Verschiebung etwa 2 cm beträgt.



Der Königsweg der Erkenntnis ist und bleibt das Experiment: Neben weiteren Versuchen machte sich Miká anschließend an die Untersuchung des berühmten Reflexionsgesetzes. Vielleicht hat der Goos-Hänchen-Shift und / oder der quantenphysikalische Tunneleffekt Einfluss auf den Reflexionswinkel?
„Mache aus Fragen Antworten“, so lautete das Motto des Wettbewerbs Jugend forscht im Jahr 2025. Und ja, Miká hat mit seinen Messungen eine Antwort gefunden: „Der Reflexionswinkel gleicht nur ungefähr dem Einfallswinkel. Er variiert bei Mikrowellen um 2° bis 4° bei der Reflexion und in Phänomenen, in denen die Totalreflexion Einfluss hat, um -2° bis -4°.“
20 Jahre nach der „Stahlhofschen Vermutung“ scheinen sich Hinweise zu verdichten, dass an der Hypothese etwas dran sein könnte. Sicherlich müssen solche Erkenntnisse, wie sie Miká gefunden hat, weiterer, unabhängiger Versuche und intensiver Fehlerbetrachtungen Stand halten.
Dennoch zeigen solche Projekte exemplarisch, dass unsere Welt, in der wir leben, doch nicht so einfach funktioniert, wie es z. B. durch didaktische Reduktionen in Schulbüchern vermittelt wird.
Und dass es sich lohnt, auch scheinbar klare physikalische Gesetze zu hinterfragen. Das weitere Interesse ist geweckt. Die Ausarbeitung sowie die Simulation sind nachfolgend als Download zu finden:
Ausarbeitung: Goos-Hänchen-Effekt.pdf
Mikás Ausarbeitung wurde nicht in Microsoft Word, sondern aufwendig in LaTeX programmiert, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/LaTeX.